» … Trotzdem bleibt die Wahl des Begriffes Stadthaus zu rechtfertigen – nicht angesichts der Vergangenheit, wohl aber, wenn Gegenwart und Zukunft damit gemeint sind. Das Stadthaus ist zunächst einmal eine Haus – also nicht Wohnanlage oder Fabrik, Kauf- oder Bürohaus. Gehört zum Haus eine eindeutige Scheidung von Öffentlichem und Privatem, Straße und Grundstück, eigenen und Nachbarrechten, so zum Stadthaus darüber hinaus die Einfügung in ein System dichter Packung, also Straße und Block, engmaschige Parzellierung, Straßen- und Hof- beziehungsweise Gartenseite … «
— Dieter Hoffmann-Axthelm, Das Berliner Stadthaus – Geschichte und Typologie, Berlin 2008
Die Wohnhausgrupe ist Teil des Entwicklungsgebiets im Konversionsbereich des ehemaligen AGFA-Geländes setzt die im Bebauungsplan formulierten Ziele um: Orientierung zum Park, Hausgruppen mit unterschiedlichen Geschossen, plastische Baukörpermodellierung und Ausbildung einer städtischen Traufe zum Straßenraum. Die Wohnhäuser bilden die mittlere von drei zur Weißenseestraße orientierten Wohngruppen. Ihre Höfe orientieren sich zum verbindenden Quartierspark nach Norden. Die Eingänge in die durch feine Farbnuancierungen unterschiedenen Häuser liegen an der Weißenseestraße als Adressgeber und an den Querdurchwegungen. Sie sind so sinnfällig zugeordnet und steigern die städtebaulich gewünschte Dramaturgie der Abfolge von Innen- und Außenräumen.
In der Grundrissbildung sucht der Entwurf Antworten auf aktuelle Anforderungen an den Wohnungsbau die sich mit dem Schlagwort Patchwork gut benennen lassen und daraus resultierenden Modifikationen von innerer Struktur und äußerer Hülle zur Folge haben. Dabei bildet die Flexibilisierung des Wohngefüges vor dem Hintergrund des demographischen Wandels unserer Gesellschaft den Schwerpunkt des Entwurfs.
In der Gebäudemitte liegende großzügige Treppenräume mit integriertem Aufzug erschließen drei bis fünf Wohnungen, ermöglichen durch ein großes Treppenauge ein spürbar verbindendes, vertikales Raumerlebnis und werden so zu Orten der Kommunikation im Haus. Diese Erschließung ermöglicht einen hohen Aussenfassadenanteil für die Wohnungen und verhindert – vor allem bei den kleinen Wohnungen – schmale, tiefe Räume und erlaubt darüber hinaus Raumfluchten entlang der Fassade.
In der Konzeption der Wohnungen wird bewusst eine Alternative zur Korridorwohnung gesucht bei der – vor allem die größeren Wohnungen ein Raumerlebnis in der Tiefe ermöglichen und dadurch die klare Trennung von privaten Rückzugsräumen und öffentlichen Wohnräumen erreicht wird. Die Idee der Wohnung in der Wohnung ermöglicht z.B. je nach Lebenssituation die Nutzung für Pflege- oder Hilfspersonal oder auch als Au-Pair-Wohnung ohne die gesamte Wohnung damit in Beschlag zu nehmen.
Die Außenfassaden formulieren einen städtischen Maßstab der durch ein raumhohes, annähernd quadratisches Element jenseits von Funktionszuweisungen geprägt ist – es ist wechselweise als dreiflügeliges Fenster, Wintergarten, Erker und Loggia ausformuliert. Die Außenwohnräume in Form von Erkern Wintergärten und Loggien sind geschossweise versetzt und gewährleisten in Verbindung mit den massiven Raumschalen eine hohe individuelle Privatheit ohne dabei den Straßenraum zu privatisieren. Die Ausrichtung nach Süd-Westen sorgt in Verbindung mit den Verglasungen – ähnlich einer Hypokaustenheizung – für ein ganzjährig auch in den Abendstunden angenehmes Klima.
Standort Weißenseestraße, München
Architekt Hierl Architekten BDA DWB
Bauherr DEMOS Wohnbau GmbH, München
Landschaftsplanung Landschaftsarchitekt Schwarzmaier, Dachau
Geschossfläche 14.400 qm
Baukosten KG 300/400 18.160.000 €
Leistungsphasen 2 – 4, 5 Teilleistungen (HOAI)
Fertigstellung 2013
Mitarbeit Carolin Semtner, Gabriele Bruckmayer, Christoph Karl, Nina Peña, Ulrich Schall, Daniela Strobl, Marija Tokic, Kristina Zadvydaite