Realisierungswettbewerb Boschetsrieder Straße / Ecke Drygalski-Allee, München, 2. Preis

» … Das Wort ‚Entwurf‘ kommt von werfen. Entwurf heißt, etwas aus sich heraus werfen. So wie man eine Angel auswirft. Das Wort trifft die Sache ziemlich genau. Man wirft etwas in die Höhe, um zu sehen, wie es sich verhälte … «

— Otl Aicher „Entwicklung. ein Begriff“
in Analog und Digital, S. 148

Kohärente Prägnanz der Gesamtstruktur im Kontext einerseits – Diversifizierung und Individualisierung andererseits bilden die Leitidee des Entwurfs.

Das kräftige Miteinander von Landschaftsplanung und Architektur schafft ein unverwechselbares autofreies Areal mit einer Identität stiftenden inneren Mitte. Die gefundene Figur liefert einen großen ruhigen Binnenraum mit hoher Signifikanz, zeichenhaft und erinnerbar im Stadtteil und hervorragend zu bespielen für die Bewohner. Die vorhandenen schwierigen Milieufaktoren werden mit dieser Entwicklung nach Innen in einen positiven Gegenwurf verwandelt.

Der Entwurf knüpft an den vorgefundenen Stadtkörper an: dessen fragmentarische Struktur und der Wechsel von raumbildenden Elemente mit solitären Objekten bilden die Bausteine des Stadtraums. Die vorgeschlagenen Hauslängen beziehen sich explizit auf vorhandene Fragmente nehmen deren Maßstab und Körnung auf und werden zu einer schlüssigen kontextgebundenen Figur gefügt. Diese Figur erzeugt durch mehrfache Brechung und architektonische Gliederung nicht nur ein abwechslungsreiches Straßenbild, sondern auch eine effektive Minderung von Schallreflexionen.

Kontext + Objekt, Kontext + Fragment, Kontext + Freiraum

Eine Identität stiftende innere Mitte, die durch vier Wohnhochhäuser räumlich gefasst ist bildet an der Nutzungsverschränkungszone zwischen Wohnen und Kerngebietsnutzung den Kernpunkt des neuen Quartiers. Die zweigeschossigen Basen dieser Häuser beinhalten soziale (Kindergärten, KiTa) und kommerzielle Infrastruktur (kleinteiliger Einzelhandel) für das ganze Gebiet und können so die erwünschte städtische Qualität des Ortes stärken.

Grundriss Erdgeschoss

Die gewählte Wohnbaustruktur verzichtet bewusst auf rein aus dem Aspekt Schallschutz abgeleitete Typologien sondern entwickelt ihre Qualitäten aus der Situation:
Die großen Wohnungen sind nach mindestens zwei, teilweise drei Seiten orientiert.
Die planerische Strategie sieht bei geschlossener Bebauung eine hausweise wechselnde Architektur vor um identifizierbare, adressierbare und überschaubare Nachbarschaftseinheiten zu bilden. In den Erdgeschossen sind zu schallbeaufschlagten Straßen wohnungsbezogene Nebenräume wie Kinderwagen- und Fahrradabstellplätze vorgesehen, die hohes Kommunikationspotential einerseits die Idee der Wandelbarkeit andererseits in sich tragen.
Alle Wohnungen haben Loggien, Wintergärten und Balkone zu ruhigen Freibereichen nach Süden, Osten oder Westen die großen Familienwohnungen haben sogar zwei von denen einer Schallschutzfunktionen für die dahinter liegenden Individualräume übernimmt.
Die topographisch modellierte Baukörperformulierung ermöglicht die Ausbildung von Dachgeschosswohnungen mit großzügigen und individuell formulierten Dachterrassen.

Grundrisse EG und RG Boschetsrieder Strasse, Ansicht

Gerade höhere Häuser, die profilüberragend im Stadtkörper weithin wahrnehmbar sind benötigen eine zeichenhafte Gestalt, die über die bloße Stapelung von Grundrissflächen hinausgeht. Der Entwurf greift für die vier Hochhäuser die fraktale Geometrie des Gesamtareals auf und übernimmt sie für deren Formgebung. So entstehen Wohnformen mit durchweg zweiseitig belichteten Wohntypen und prägnanter Gestalt auch am oberen Gebäudeabschluss.

Die innere Quartiersmitte verleiht dem Ensemble hohen Identifikationswert der zeichenhaft und auf der Ebene der Nutzung im heterogenen disparaten Umfeld zu einem Alleinstellungsmerkmal mit hoher sozialräumlicher Bindungskraft führt.
Die angebotene Nutzungsmischung von Wohnen und Büros verdichtet sich hier zu einem sozialräumlichen Kern in dem auf kurzem Wege – ohne Beeinträchtigung durch Autoverkehr – Wohnen mit entsprechenden Sozial- und Versorgungseinrichtungen, Arbeiten Einkaufen und Freizeit kleinräumig auf vielfältige Weise verwoben sind. Gleichzeitig liegt die Quartiersmitte im Schnittpunkt wichtiger Wegeverbindungen und kann so insbesondere auch quartiersübergreifend zu einem Fokus werden.

Standort Boschetsrieder Straße Ecke Drygalski-Allee
Architekt Hierl Architekten BDA DWB
Auslober Accumulata Immobilien GmbH & Co. KG
Wettbewerb 2013 2. Preis
Landschaftsplanung mahl-gebhard-konzepte, München
Geschossfläche 135.000 qm
Mitarbeit Carolin Semtner, Miriam Ballesteros, Ulrich Schall