» … Deshalb ist das Bauen, weil es Orte errichtet, ein Stiften und Fügen von Räumen. Weil das Bauen Orte hervorbringt, kommt mit der Fügung ihrer Räume notwendig der Raum auch als spatium und als extensio in das dinghafte Gefüge der Bauten. Allein das Bauen gestaltet niemals den Raum … Das Bauen errichtet Orte, die dem Geviert eine Stätte einräumen. Aus der Einfalt, in der Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen zueinander gehören, empfängt das Bauen die Weisung für sein Errichten von Orten. Aus dem Geviert übernimmt das Bauen die Maße für alles Durchmessen und jedes Ausmessen der Räume, die jeweils durch die gestifteten Orte eingeräumt sind. Die Bauten verwahren das Geviert … Das Geviert zu schonen, die Erde zu retten, den Himmel zu empfangen, die Göttlichen zu erwarten, die Sterblichen zu geleiten, dieses vielfältige Schonen ist das einfache Wesen des Wohnens. So prägen denn die echten Bauten das Wohnen in sein Wesen und behausen diese Wesen …«
— Martin Heidegger, 1951
Das Projekt Jugendgästehaus Dachau ist vor dem Hintergrund der jüngsten deutschen Geschichte entstanden. Es wurde aus der Idee geboren, einen Ort der Begegnung und Verständigung in der Stadt Dachau zu schaffen und somit einen Beitrag zu leisten zur Auseinandersetzung mit dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus.
Projekte dieser Art waren in Tel Aviv, Auschwitz und Dachau geplant. Bestimmend für das Konzept war neben dem politischen Mandat die städtebauliche Situation. Der Standort des Jugendgästehauses befindet sich in einem überwiegend durch Einfamilienhäuser geprägten Gebiet, auf halbem Weg zwischen KZ-Gedenkstätte und historischer Altstadt. Diese Lage verlangt nach einem Konzept, welches das Besondere dieses Ortes charakterisiert.
Ein Ensemble, bestehend aus Gästehaus, Raum der Stille, sowie einem Personalgebäude bildet einen definierten, landschaftlich-architektonisch ausformulierten Raum.
Herzstück des Hauptgebäudes ist eine zweigeschossige Halle auf die sich alle Räume hin orientieren: die Idee der Begegnung findet so ihren direkten räumlichen Ausdruck. Korrespondenz und Gegenstück zur Halle ist der Gartenhof. Dieser wird als Außenwohnraum begriffen und ist durch Hecken, Mauern und Terrassierungen unterschiedlicher Höhe kleinräumig gegliedert. Der Raum der Stille schließlich liegt abgeschieden von der Betriebsamkeit des Hauptgebäudes; er bildet einen individuellen Bereich, schafft notwendige Rückzugsmöglichkeiten, ist der Raum der Meditation und Besinnung, transzendiert die Idee der Begegnung.
Standort Roßwachtstraße 15, Dachau
Architekt Hierl Architekten BDA DWB
Bauherr Stiftung Jugendgästehaus Dachau, München
Wettbewerb, 1993 1. Preis
LandschaftsplanungAtelier Cordula Loidl-Reisch, Wien
Geschossfläche 4.332 qm
Baukosten KG 300/400 6.649.000 €
Leistungsphasen 2 – 9 (HOAI)
Fertigstellung 1998
Mitarbeit Peter Hofmann, Dominik Fischer, Maleen Fromm, Nadja Herrmann, Michaela Oswald, Jeanette Quecke, Ulrike Rechler, Bernhard Schambeck, Oliver Schubert, Tanja Wienecke