» … Es ist die unerwartete Paarung von Ideen, das Entdecken von geheimer Beziehung zwischen Bildern, die anscheinend weit voneinander entfernt sind … das setzt eine Fülle von Wissen voraus, ein Gedächtnis, das mit Vorstellungen angefüllt ist, unter denen die Phantasie aussuchen kann, um neue Zusammensetzungen zu bilden. Wie stark die Vorstellungskraft auch sein mag, kann sie doch niemals viele Kombinationen aus wenigen Ideen formen, so wie viele Tonfolgen niemals mit wenigen Glocken geläutet werden können. Der Zufall kann tatsächlich manchmal eine glückliche Parallele oder einen auffallenden Kontrast hervorbringen; aber diese Geschenke des Zufalls sind nicht häufig; und wer selbst nichts besitzt und sich doch nutzlosen Ausgaben hingibt, muss von Darlehen und Diebstahl leben … «
— Samuel Johnson, 1752
Die speziellen und ungewöhnlichen Milieufaktoren des Ortes bilden den Kern des Entwurfs. Aufgrund seiner Lage am Schnitt- und Randpunkt zweier Stadtentwicklungs-maßnahmen hat diese Randlage – in der Wirkung einem Webfehler im Netz ähnlich – lange einer qualitätsvollen Bebauung im Wege gestanden. Bei genauem Hinsehen bietet sie jedoch die Chance für die Ausformulierung einer attraktiven, markanten und eigenständigen Adresse und schließt gleichzeitig eine städtebaulich unfertige Figur an einem wichtigen Ort mit Bezug zur bestehenden Passage an der Dachauer Straße prägnant ab.
Die Struktur des Perimeterblocks ist von Norden kommend bis zur Karlstraße sinnvoll parzelliert und mit Reihenhäusern bebaut, südlich davon lässt sich dieses Muster jedoch nicht fortsetzen – so nimmt dieses Baufeld eine Zwitterrolle ein: einerseits fungiert es als Abschluss der Randbebauung andererseits wird es aufgrund seiner Insellage zum städtebaulichen Solitär.
Der Charakter des eigenständigen Baukörpers wird betont durch eine umlaufend identische Fassade, die über ihre Steinsichtigkeit in den Kontext einbindet.
Die Kontinuität der Fassade wird verstärkt durch die Aufhebung des geometrischen Orts der Gebäudeecke und der Rotation der Fassadenelemente, der Baukörper wird in seiner Körperpräsenz gestärkt – gleichzeitig werden die Sichtbezüge zum Löwenbräuturm und zum Josephsplatz gleichwertig in die stadträumliche Situation eingebunden.
Die Gebäudekonzeption antwortet auf die anspruchsvolle städtebauliche Situation:
Anstelle einer Stapelung von identischen Geschossflächen wird ein differenziertes räumliches Gefüge angeboten. Das Erdgeschoss verschafft mit einer Geschosshöhe von 4,60 m auch hochwertiger Einzelhandelsnutzung Raum und ermöglicht der Sockelzone maßstäblich einen städtischen Auftritt. Das Obergeschoss knüpft an die Tradition der Beletage an und hat eine Geschosshöhe von 3,90 m – es kann Empfangsgeschoss für einen Nutzer sein, der das Gesamtgebäude mietet oder auch die besondere Büroetage für einen Einzelmieter und bietet nicht zuletzt die Option den Einzelhandel ins Obergeschoss zu nehmen. Darüber befinden sich zwei Normalgeschosse, die ebenso wie die darunterliegenden Etagen in bis zu drei unabhängige Mieteinheiten unterteilt werden können. Den Abschluss bildet ein rückversetztes Staffelgeschoss, das vorhandene Traufkanten aufnimmt und eine städtische Attika erzeugt. Das bürgerliche Muster der städtischen Zonierung über die Geschosse tritt in einen Dialog mit der umgebenden Bebauung und bietet gleichzeitig eine programmatische Differenzierung und funktionale Vielfalt jenseits der Stapelung gleicher Flächen.
Die einfache und robuste Konstruktion in Verbindung mit einem differenzierten Grundrisslayout lassen unterschiedliche, einprägsame und eigenständige Organisationen zu wie klassische Zellenbüros, Kombibüros, Arbeitsgruppen sowie standortunabhängige Workstations als non-territoriale Büroorganisationsform. Im Dachgeschoss könnte ebenso eine Penthouse-Wohnung oder ein Wohnbüro untergebracht sein. Da nur Fassade und Kern tragend ausgebildet sind entsteht ein wandelbares Gefüge, innerhalb dessen alle Etagen an unterschiedliche Bedürfnisse gepasst werden können.
Standort Karlstraße 47a, München
Architekt Hierl Architekten BDA DWB
Auslober Augustenkarree GmbH & Co. KG, München
Wettbewerb, 2011 1. Preis
Landschaftsplanung grabner + huber, Freising
Geschossfläche 2.280 qm
Mitarbeit Carolin Semtner